Thiel und Boerne machen in Kultur
„Gott ist auch nur ein Mensch“ – so lautet der Titel des Tatortkrimis, zu dessen Premiere die Presse in das große Kino am Hafen von Münster, dem CINEPLEX, geladen wurde. Speziell in Münster ist es zum Vergnügen der vielen Tatortfans zur Gepflogenheit geworden, dass einmal im Jahr eine Folge des beliebten Münsteraner Tatorts als Premiere vorab gezeigt wird. Regelmäßig sind sämtliche beteiligten Schauspieler anwesend. Allerdings haben dieses Mal Frederike Kempter (Kriminalkommissarin Nadeschda Krusenstern) sowie Mechthild Großmann (Staatsanwältin Wilhelmine Klemm) aus beruflichen Gründen absagen müssen. Für die Zuschauer ist es ein spannendes Erlebnis, die Presse- und Fotografenmeute aus unmittelbarer Nähe bei ihrer Arbeit zu beobachten.
An der Seite der üblichen Darsteller des Münster-Tatortes spielen Aleksandar Jovanovic als Zoltan Rajinovic mit dem Künstlernamen G.O.D., Gertie Honeck als gefühlskalte Nika Wenger, Victoria Mayer als deren Tochter Klara Wenger sowie Matthias Bundschuh als deren Sohn Roland Wenger ihre Rollen.
Der Premierentermin hat sich schnell herumgesprochen, so dass der großzügig gestaltete Vorraum in der oberen Etage des Kinos um achtzehn Uhr bereits stark gefüllt ist. In einer von außen schwer einsehbaren Ecke des abgesperrten Bereiches haben sich zu diesem Zeitpunkt ChrisTine Urspruch, Jan Josef Liefers und Axel Prahl eingefunden – Prahl mit seinem charakterischen Hut und Liefers mit einer Frisur, die den Verdacht keimen lässt, die vergangene Nacht habe für ihn erst kurz vor seinem Eintreffen geendet.
„Bitte betreten“
Innerhalb des abgesperrten Bereiches wird diejenige Ecke eingeleuchtet, in welcher der eigentliche Fototermin stattfinden soll. Den Hintergrund bildet eine blaue Wand mit Fotomontage, auf der das Tatort-Logo abgebildet ist. Quer über diese Wand verlaufen zwei für abgesperrte Tatorte typische, rot weiß abgesetzte Plastikbänder, auf denen untypischerweise geschrieben steht: „Bitte betreten.“ Mehrere dramatisch vergrößerte Einschusslöcher erregen die Aufmerksamkeit des Betrachters.
Das Blitzgerät
Mit einer Filmkamera bewaffnet sind zuerst Redaktionsmitarbeiter des Westdeutschen Rundfunks an der Reihe. Sie führen mit Axel Prahl und Jan Josef Liefers ein Interview. Die sich um diese Gruppe drängenden Fotografen werden darum gebeten, während der Filmaufnahmen nicht die Blitzgeräte zu benutzen.
A propos Blitzgeräte: Eingangs zeigen mehrere Belichtungs-Testreihen, dass die Beleuchtung absolut ausreicht, um ohne Blitz zu arbeiten. Die meisten Pressefotografen setzen das Blitzgerät dennoch ein. Dabei können die skurrilsten Optimierungs-Konstruktionen auf, neben oder vor den Kameras montiert betrachtet werden. Sie sollen den Blitz weicher, indirekter machen, das Licht streuen, es besser verteilen. Wer nicht blitzt, ist vom Können der Beleuchter abhängig, er verzichtet grundsätzlich auf große Schärfentiefe und nimmt auch mal nicht ganz so scharfe Bilder in Kauf. Das Farbrauschen spielt bei den professionellen Kameras heutzutage bis etwa ISO 1200 kaum mehr eine Rolle. Im Gegenzug erhält derjenige Fotograf, der ohne Blitz arbeitet, erheblich natürlichere Licht-Schatten-Strukturen, was die meisten überzeugten Blitzer natürlich vehement bestreiten. Es gibt allerdings eine ganz bestimmte Arbeitssituation, in welcher nicht zu blitzen eine Herausforderung darstellt, nämlich eine solche, bei der sehr viele Fotografen gleichzeitig mit Blitzgeräten arbeiten. Das führt häufig dazu, dass die von den zahllosen verschiedenen Blitzgeräten der Kollegen ausgesandten Lichtblitze ihren Weg auf den zur Belichtung freigegebenen Sensor der nichtblitzenden Kamera finden. Solchermaßen entstandene Bilder sind nicht zu gebrauchen. Die hier gezeigten Fotos sind sämtlich ohne Blitz entstanden.
Der Fototermin beginnt
Wie immer haben sich vorab einige der Fotografen an vermeintlich günstiger Position platziert, den Platz besetzt, sozusagen das virtuelle Besetzungshandtuch hingelegt. Dabei ist doch von Organisatorenseite einigermaßen sichergestellt, dass jeder drankommt. Drankommen heißt, relativ ungehindert seine Fotos schießen zu können. Dafür zeigt ein Mitarbeiter der Produktionsfirma den abzulichtenden Personen mit Hilfe eines auffälligen Gegenstandes denjenigen Fotografen, der gerade an der Reihe ist. Die abzulichtenden Personen sollen in dessen Kameralinse blicken und möglichst die Augen offen halten. Der Mitarbeiter der Produktionsfirma geht immer wieder auf den nächsten Fotografen zeigend die Reihe hinter den Fotografen entlang. Ist er damit durch, sollen eigentlich die vorne stehenden Fotografen den dahinter stehenden Platz machen, damit diese auch in den Genuss eines ungehinderten Schussfeldes kommen. Das ist die Theorie, die Gottessicht. So Gott will, klappt das auch – meistens, oft. In Münster funktioniert das dieses Mal trotz Absprache nicht. Hinzu kommen auffällig viele „rückenkranke“ Kollegen, die sich nach vorne drängen und vor die Absperrung setzen – sie behinderten ja niemanden, argumentieren sie. Wer hinten ist, kann froh sein, wenn seine Kamera einen klappbaren Monitor besitzt. So hat der Fotograf die Möglichkeit, einigermaßen treffsicher über Kopf zu fotografieren. Auch ein Telezoom, am besten eines mit 70 bis 200 Millimetern Brennweite, ist nützlich, weil damit zwischen den Köpfen der Kollegen hindurch geschossen werden kann. Gruppenbilder gibt’s dann zwar keine, aber Portäts und Kleingruppen-Fotos bis zur Gürtellinie.
Am Ende des Shootings stellen Prahl und Liefers einmal mehr ihren Humor unter Beweis. Vermutlich ist es derjenige Humor, der den Tatort mit den beiden ganz besonders auszeichnet. Die anderen Darsteller haben sich bereits zurückgezogen, als die beiden Protagonisten vor den Kameras der Pressefotografen wie auch der zahlreichen Zaungäste zu singen beginnen und ihren Abgang unter dem Gelächter der Zuschauer im Gänsemarsch zelebrieren. Im Anschluss stellen sie sich noch einigen Journalisten. Mit Engelsgeduld beantworten sie äußerst intelligente Fragen, wie beispielsweise, was sie Weihnachten vorhaben. Die Gelassenheit und Geduld der beiden ist bewundernswert, ihr Durchhaltevermögen gleicht dem von Leistungssportlern – absolute Profis eben.
Abschluss im Kinosaal
Gut anderthalbtausend Menschen, verteilt auf drei Kinosäle, haben Eintrittskarten für die Premiere erworben. Der Film wird in allen drei Sälen zeitversetzt gestartet, weil in jedem einzelnen Saal vor Filmbeginn sowohl die Schauspieler, als auch die redaktionellen Mitarbeiter erscheinen, um sich dem Publikum zu zeigen. Sie lassen sich von einem Moderator ein weiteres Mal ausfragen. Das ganze wiederholt sich in den anderen zwei Sälen. Erst danach beginnt der Film. Es ist ein besonderes Erlebnis, einen Tatort mal nicht am Fernsehgerät, sondern im Kino auf großer Leinwand zu sehen.