Amsterdam Machsor kehrt heim

Jüdischem Museum in Köln gelingt Sensationskauf

Vier Millionen Euro hat es gekostet – nach Einschätzung der mit dem Wertgutachten des Amsterdamer Machsor beauftragten Judaistik-Spezialistin Lucia Raspe ein Schnäppchen. Von besonderer Bedeutung ist die unzweifelhaft belegte Kölner Herkunft des Gebetbuches. Gemeinsam mit dem Joods Historisch Museum in Amsterdam hat das „MiQua. LVR-Jüdische Museum im Archäologischen Quartier Köln“ das Amsterdam Machsor der Jüdischen Gemeinde Amsterdam abgekauft. Erleichtert wurde die Finanzierung durch großzügige Fördergelder namhafter Stiftungen, aus der Wirtschaft und aus privaten Quellen. Im Auditorium des Joods Historisch Museum in Amsterdam wurde heute der Machsor im Rahmen eines feierlichen Festaktes vor Ort präsentiert und ausführlich erläutert. Für das MiQua ist das ein Einstand ganz nach Maß, befindet sich doch das Museum erst im Aufbau. Es soll voraussichtlich im Jahr 2021 eröffnet werden.

Die Hand gibt eine Vorstellung von der Größe des Machsor

Die Hand gibt eine Vorstellung von der Größe des Machsor

Beim Amsterdam Machsor, einer illuminierten, das heißt mit malerischem und zeichnerischem Schmuck versehenen Pergamenthandschrift, handelt es sich um ein hebräisches, gebundenes Gebetbuch für die jüdischen Feiertage. Und es ist nicht irgendeines. Das Wertgutachten der renommierten Judaistik-Spezialistin Lucia Raspe datiert den Machsor auf das Jahr 1238. „Das lässt unsere Handschrift als eine der frühesten, wenn nicht die früheste der erhaltenen aschkenasischen Machsorhandschriften erscheinen“, so Raspe. Er zähle zu den wenigen mittelalterlichen Handschriften, die wegen ihres Ritus unzweifelhaft einer bestimmten jüdischen Gemeinde in Köln zugeordnet werden könne. Im Jahr 1669 sei er unter „bemerkenswerten Umständen“ nach Amsterdam gekommen, wo er in den Besitz der aschkenasischen Gemeinde gelangte, was einer hebräischen Notiz in der Handschrift selbst zu entnehmen ist. Ursprünglich verantwortlich für die Auswanderung des Machsor ist die Vertreibung der Juden aus Köln im Jahr 1424 „up ewige tzyden“ (auf alle Zeiten) – so seinerzeit der Rat der Stadt Köln. Trotz seiner offenbar turbulenten Geschichte befindet sich das Buch in ausgezeichnetem Zustand.

Einblick in mittelalterliche jüdische Kultur

Prof. Dr. Jürgen Wilhelm schätzt sich glücklich über den Coup

Prof. Dr. Jürgen Wilhelm schätzt sich glücklich über den Coup

Der Amsterdam Machsor soll zukünftig abwechselnd in Köln und in Amsterdam der Öffentlichkeit präsentiert werden. Der Vorsitzende der Landschaftsversammlung, Prof. Dr. Jürgen Wilhelm, sagte dazu: „Wir haben mit dem Machsor die Möglichkeit, unseren Besucherinnen und Besuchern faszinierende Einblicke zu einem ihnen noch weitestgehend unbekannten mittelalterlichen jüdischen Leben in Deutschland, insbesondere zur jüdischen Kultur in Köln, zu geben.“ Der Machsor solle beim liturgischen Ort seiner Herkunft, also in unmittelbarer Nähe zu den Befunden der mittelalterlichen Synagoge präsentiert werden.

Museum über die Archäologie gebaut

Das jüdische Museum mit dem sperrigen Namen „MiQua. LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln“ soll im Jahr 2021 seine Pforten für die Besucher öffnen. Das Gebäude wird derzeit über dem alten jüdischen Viertel der Stadt errichtet. So werden im unterirdischen Ausgrabungsbereich freigelegte Objekte und geborgene Gebrauchsgegenstände auf rund eintausend Quadratmetern die Geschichte der Kölner Juden vom frühen elften Jahrhundert bis zum Jahr 1424 erzählen. Zu den archäologischen Überresten gehören die Synagoge und die Mikwe, das jüdische Ritualbad. Sie stammen beide aus dem elften Jahrhundert. Hinzu kommen jüdische Gemeindeeinrichtungen und Privathäuser. Im Museumsgebäude darüber wird als Dauerausstellung die Geschichte der Kölner Juden von 1424 an bis in die Gegenwart fortgeführt werden.

Vorbildliches Projekt

Ulrike Lubek hielt einen emotionalen Vortrag

Ulrike Lubek hielt einen emotionalen Vortrag

Ulrike Lubek, Landesdirektorin des Landschaftsverbandes Rheinland, lobte die exzellente Zusammenarbeit mit dem Joods Historisch Museum und dessen Direktor, Prof. Dr. Emile Schrijver. Sie sei die Basis für dieses vorbildliche internationale Projekt auf europäischer Ebene. „Der Ankauf des berühmten Objekts ist zudem nur durch die großzügige Förderung namhafter Stiftungen und privater Unterstützer möglich, so durch die Kulturstiftung der Länder, die Kulturförderung des Landes Nordrhein-Westfalen, die Ernst von Siemens Kunststiftung, die C.L. Grosspeter Stiftung, den Rheinischen Sparkassen- und Giroverband sowie die Sparkasse KölnBonn und die Kreissparkasse Köln.“

Interaktives Erleben

Dr. Thomas Otten ist Direktor des MiQua

Dr. Thomas Otten ist Direktor des MiQua

Der Direktor des MiQua. LVR-Jüdischen Museums in Köln, Dr. Thomas Otten, ist überzeugt, dass die Illuminationen des Buches für die Besucherinnen und Besucher des Museums ein besonderes Erlebnis sein werden. Es sei zusätzlich die Programmierung eines digitales Buches geplant, um den Besuchern alle Seiten darin zugänglich machen zu können, so Otten. „Anhand der Malereien und des Textes sollen die jüdischen Feiertage erklärt werden. Die Verbindung des Machsor als Ausstellungsobjekt mit dem authentischen Ort seiner Entstehung spiegelt die Konzeption des gesamten MiQua vorbildlich wieder. Damit wird die Geschichte des Ortes unmittelbar erlebbar.“

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2018-08-12T23:57:52+00:0013 Dezember 2017|